NÜRTINGEN (hfwu). Herman Daly gehört zu den Vordenkern einer ökologischen Ökonomik. Obwohl vielfach international ausgezeichnet fanden seine Erkenntnisse wenig Anklang in der vorherrschenden Wirtschaftslehre, die am Wachstumsparadigma festhält. Ein Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) führte in sein Leben und Werk ein.
Was der Referent Prof. Dr. Peter A. Victor zitierte, klingt wie aus einer aktuellen Diskussion um die Energiewende oder die Reform des Wirtschaftssystems. „Da unsere Welt begrenzt ist, kann nichts Physisches unendlich wachsen, weder die Population der Menschen, noch die ‚Population‘ physischer Dinge. Was fortbestehen kann ist das Wachstum nicht-physischer Dinge wie Wohlergehen, Zufriedenheit und Freizeit. In einer stationären Wirtschaft zielt technologischer Fortschritt auf nicht-physisches Wachstum und eine bessere Lebensqualität.“ Das Zitat von Herman Daly ist 53 Jahre alt. Im Rahmen einer online Studium-generale-Veranstaltung an der HfWU stellte Victor Leben und Denken des 2022 verstorbenen Ökonomen vor. Via Video-Konferenz war der Referent aus Toronto zugeschaltet.
Daly gehört zu den Vordenkern einer ökologischen Ökonomik. Der US-Amerikaner habe als Wachstum-Ökonom begonnen, sich aber schon bald von diesem vorherrschenden Paradigma abgewandt, so Victor. Sein Gegenentwurf ist eine „stationäre Wirtschaft“ für eine „volle Welt“. Die Welt ist voll, weil durch das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum so viele Ressourcen genutzt werden, dass die Grenzen der Nachhaltigkeit überschritten sind, so die Analyse von Daly schon vor einem halben Jahrhundert. Mit anderen Wissenschaftlern forderte Daly bereits in den 80er-Jahren ein grundlegendes Umdenken in den Wirtschaftswissenschaften. Der Kerngedanke: Die Wirtschaft ist ein Teilsystem der Natur. Die Wirtschaft hat ursprünglich nur einen kleinen Teil des Ökosystems in einer „leeren Welt“ eingenommen. Im Laufe der historischen Entwicklung wuchs die Bedeutung der Wirtschaft über das Ökosystem, das immer mehr zurückgedrängt und erschöpft wird. Umweltschäden und der Verlust der Artenvielfalt sind Folgen davon.
Zu den Forderungen, die für Daly daraus folgten gehört, den Verbrauch natürlicher Ressourcen nicht weiter als Einkommen zu werten, Arbeit und Einkommen weniger und Ressourcenverbrauch mehr zu besteuern sowie den Fokus nicht auf Globalisierung zu legen, sondern die einheimische Produktion zu stärken und sich auf inländische Märkte zu konzentrieren.
Neben den vielen anderen Auszeichnungen erhielt Daly den Blue Planet Price, berichtete Victor. Manch Ansätze für ein alternatives Wirtschaften sind über die Jahre wieder in der Schublade verschwunden. Bei Daly scheint es umgekehrt zu sein. Die Begründung für den vor mehr als zehn Jahren vergebenen Preis bringt auf den Punkt, worum es beim heutigen Nachdenken über ein anderes Wirtschaften mehr und mehr geht. „Professor Daly definiert mit dem Konzept der Nachhaltigkeit die Wirtschaft neu. Umwelt, lokale Gemeinschaften und ethische Aspekte spielen dabei eine zentrale Rolle. Er stellt in Frage, ob Wirtschaftswachstum den Menschen Glück bringt und warnt die Gesellschaften davor, Wirtschaftswachstum überzubewerten“, heißt es in der Laudatio.