NÜRTINGEN. (hfwu) Eugen Drewermann sprach jetzt im Rahmen der Vortragsreihe „Kunst – Religion – Politik“ in Nürtingen. Für den Theologen und Psychoanalytiker macht die vorherrschende Theologie die Bibel zu einem Instrument der Entfremdung. Wer das Geschilderte in der Bibel als wahr und nicht symbolhaft deute, mache die Heilige Schrift zu einer Kampfschrift.
Drewermann zufolge verdichten sich in den biblischen Geschichten menschlichen Urerfahrungen, Sehnsüchte und Wünsche. In der Bibel begegnen uns nicht historische Geschehnisse, sondern von Symbolen getragene Geschichten. Christi Himmelfahrt etwa sei nicht etwas, das real stattgefunden habe, sondern ein Symbol der Unsterblichkeit, verweise auf ein innerliches Geschehnis. An die Himmelfahrt Christi im wörtlichen Sinn zu glauben sei Aberglaube. Wer, wie die Kirche, solche Bilder „objektiv“ deute, mache die Bibel letztlich zu einer Kampfschrift. Vom Alten Testament, in dem oft von Vernichtung und Vertreibung die Rede ist, schlägt der Theologe so den direkten Bogen zu Hass und Krieg im Nahen Osten. Wer die Bibel in Dogmen setzt, mache sie zum Vertreibungsprogramm. Es gehe darum, die Schilderungen der Heiligen Schrift symbolhaft zu lesen. Das Symbolhafte sei das eigentliche Wesen der Religion. Werden ihre Bilder so verstanden, entstünde innerlicher Raum für Verbindung, Versöhnung, die wirklichen Sehnsüchte der Menschen – und das Gezänk der Theologen, so Drewermann, würde sich erübrigen.
Der suspendierte Priester und Psychoanalytiker setzte mit seinen druckreif formulierten frei vorgetragenen Ausführungen in der katholischen St. Johannes Kirche in Nürtingen die Vortragsreihe „Kunst – Religion – Politik“ fort. Veranstalter der Reihe sind die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU), die Hochschule für Kunsttherapie (HKT) und die Hochschulgemeinde. Zum Abschluss der Reihe steht am 18. Juni die Künstlerin Cambra Skadé auf dem Programm.
Udo Renner, 21.5.2015