Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung: Herausforderungen für viele Unternehmen

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Prof. Dr. Volkmar Klatte und Antonia Schlenker auf der Tagung in Köln.

Prof. Dr. Volkmar Klatte und Antonia Schlenker auf der Tagung in Köln.

Tagung der Schmalenbach-Gesellschaft zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung; Prof. Dr. Volkmar Klatte ermöglicht Teilnahme von ausgewählten Studierenden; in diesem Jahr Antonia Schlenker

Gegenstand der diesjährige Frühjahrs-Tagung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. waren die neuen Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. An der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen haben Aspekte der Nachhaltigkeit und der enge Bezug zur wirtschaftlichen Praxis einen hohen Stellenwert. Auf Initiative von Prof. Dr. Volkmar Klatte konnte wieder einmal eine ausgewählte Studierende der Fakultät Wirtschaft und Recht an einer Schmalenbach-Tagung teilnehmen und damit wertvolle praxisorientierte Erfahrungen sammeln. Aufgrund hervorragender Studienleistungen und eines besonderen Engagements an der HfWU traf die Wahl in diesem Jahr auf Antonia Elisa Sophie Schlenker (NMB). Sie hat sich bereits in ihrem Praxissemester intensiv mit Fragen der Nachhaltigkeitsberichterstattung beschäftigt und möchte ihre Kenntnis auf diesem Gebiet vertiefen.

Ein wesentliches Anliegen der renommierten Schmalenbach-Gesellschaft ist der Dialog zwischen Forschung, Lehre und Wirtschaftspraxis. Die Schmalenbach-Tagung am 18. April 2024 in Köln befasste sich mit dem Thema „Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung: Erste Erfahrungen mit den ESRS“. Diese European Sustainability Reporting Standards ergänzen und präzisieren die neuen Berichtspflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD; Richtline (EU) 2022/2464). Nach dem derzeit vorliegenden Referentenentwurf des BMJ ist eine nahezu 1 : 1-Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in deutsches Recht vorgesehen. Auf der Tagung referierten und diskutierten hochkarätige Vertreter*innen aus Wissenschaft und Praxis über die zentrale Frage: Welche Anforderungen stellen sich für Unternehmen (unterschiedlicher Größe) aufgrund der neuen Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Diese Frage wurde in vier Sessions behandelt:

  1. Zur neuen Ära der Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden aktuelle Entwicklungen und Trends aus der Perspektive von Politik, Regulatorik und Kapitalmarkt aufgezeigt. Die neuen Berichtspflichten sind künftig insgesamt im (Konzern-)Lagebericht zu erfüllen und treffen ab 2024 alle Unternehmen, die bereits bisher eine sog. nichtfinanzielle Erklärung abzugeben haben. Dies sind insbesondere große kapitalmarktorientierte Unternehmen bzw. entsprechend große Konzerne mit einem kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen. In den nächsten Jahren erfolgt eine stufenweise Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten in der EU – und zwar ab 2025 auf große nicht-kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften bzw. Konzerne und ab 2026 auch auf mittelgroße und kleine kapitalmarktorientierte Gesellschaften. In Deutschland werden dann rund 15.000 Unternehmen zu einem Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet sein. Außerdem können sogar mittelständische und kleine nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen etwa als Glieder einer vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungskette von berichtspflichtigen Unternehmen gehalten sein, diesen Unternehmen nachhaltigkeitsrelevante Informationen bereitzustellen. Einigkeit besteht hinsichtlich der Zielsetzung, dass eine verpflichtende, verlässliche und vergleichbare Berichterstattung zu nachhaltigen Entwicklungen mit den Dimensionen Environmental (E), Social (S) und Governance (G) einen nützlichen Beitrag zur Nachhaltigkeitstransformation leisten soll.
  2. In Bezug auf die unternehmensstrategische Ebene der ESG-Berichterstattung wurden Implikationen für Geschäftsmodelle, Interne Kontrollsysteme und Risikomanagementsysteme erörtert. Trotz eingeschränkter Datenlage zeigen bereits erste Studien, dass eine verpflichtende ESG-Berichterstattung eine zunehmende Ausrichtung auf nachhaltige Entwicklungen in nahezu allen Unternehmensbereichen bewirkt. Dies unterstreichen auch Erfahrungsberichte aus der Wirtschaftspraxis.
  3. Auf der Umsetzungsebene der ESG-Regulatorik standen Offenlegungspflichten, Reporting-Strategien und -Prozesse in den ESG-Themenfeldern im Fokus. In Praxisberichten wurde deutlich: Unternehmen, die schon bisher zur sog. nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind oder freiwillig Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt haben, verfügen bereits über Erfahrungen mit einer ESG-Berichterstattung und über hierzu geeignete organisatorische Vorkehrungen. Aber auch diese Unternehmen stehen zur Erfüllung der neuen Pflichten nach den ESRS vor zusätzlichen Herausforderungen. Dies betrifft zum einen die erforderliche Analyse einer doppelten Wesentlichkeit. Demnach gilt Berichtspflicht, wenn Informationen für Stakeholder notwendig sind, um die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte zu verstehen (Inside-Out-Perspektive), und/oder wenn Informationen notwendig sind, um Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verstehen (Outside-In-Perspektive). Zum anderen bestehen besondere Herausforderungen hinsichtlich Umfang und Detailliertheit der nach den ESRS zu berichtenden Informationen.
  4. Diskussionsgegenstand zur Implementierungsebene der Nachhaltigkeitstransformation waren Messen, Managen, Berichten und Prüfen von nicht-finanziellen Informationen in Unternehmen aller Größenordnungen. Demnach sei eine Ausrichtung auf nachhaltige Entwicklungen in der Unternehmensführung und in nahezu allen Unternehmensbereichen geboten. Die Implementierung ist aber mit erheblichen Einmal- und hohen laufenden Folgekosten verbunden, z.B. für die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitenden, Anpassung von Prozessen und Systemen, Entwicklung geeigneter Schlüsselkennzahlen (KPI), Kontrollen und (externe) Prüfung. Kritisiert wurden insbesondere die Komplexität der ESRS, die noch um sektorspezifische ESRS erweitert werden, sowie eine derzeit unzureichende Harmonisierung mit Berichtsstandards anderer Standardsetzer, wie bspw. des International Sustainability Standards Board (ISSB). Chancen der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung liegen in einer erhöhten Transparenz über die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit der Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft sowie in einer nachhaltigkeitsorientierten Verhaltenssteuerung unternehmensinterner und ‑externer Entscheidungsträger.

Weitere Informationen zur Schmalenbach-Tagung und zur Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. sowie zum Stipendienprogramm sind unter https://www.schmalenbach.org zu finden.

Prof. Dr. Volkmar Klatte