„Ein gutes Werk braucht keinen Titel“

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Hirschmotiv vor dunklem Hintergrund

Der dicke Farbauftrag ist charakteristisch für Seibolds Malstil.

Ausstellung des Malers Normann Seibold bei "Outsider Art" noch bis 7.7.

Die Hochschulstudiengänge Künstlerische Therapien der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) beteiligen sich mit einer Ausstellung des Malers Normann Seibold an „Coming in! Das Fest für Outsider Art in Nürtingen“

NÜRTINGEN (hfwu). Am 14. Juni eröffneten die Hochschulstudiengänge Künstlerische Therapien an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen die erste Ausstellung im Rahmen des „Coming in! Festivals“. Gezeigt werden, noch bis zum 7. Juli, rund 65 Zeichnungen, Öl- und Acrylbilder des Malers Normann Seibold.
Normann Seibold, eigentlich kein klassischer Vertreter der Outsider Art, wurde 1968 in Stuttgart geboren. Er begann zunächst Grafikdesign an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim zu studieren, absolvierte dann 1991/1992 zwei Semester Kunsttherapie in Nürtingen, bevor er an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Karlsruhe bei Max Kaminski Malerei studierte. Am Ende seines Studiums erkrankte Seibold. Von der Samariterstiftung Grafeneck erhielt er ein Atelier, um seinem künstlerischen Schaffensdrang nachzugehen. Vor genau 20 Jahren wurde Prof. Hartmut Majer, Professor für künstlerische Grundlagen der Kunsttherapie an der HfWU, auf Seibold aufmerksam, als er in seiner damaligen Position als Rektor der Hochschule für Kunsttherapie in Nürtingen eine Ausstellung der Samariter Stiftung in Unterensingen eröffnen sollte. Prof. Majer besuchte den Maler in diesem Zuge in seinem Atelier in Grafeneck und stieß dort zunächst auf außergewöhnliche Zustände. Aufgrund eines vorangegangenen Wasserschadens lagerten rund 2500 Zeichnungen und etwa 800 Leinwände notdürftig auf dem Boden diverser Nebenräume. Trotz der Umstände war Prof. Majer sofort von der künstlerischen Qualität der Werke begeistert und setzte sich zugleich dafür ein, dass die Werke in angemessenem Rahmen präsentiert und interessierte Sammler vermittelt werden konnten. So wurden beispielsweise gezielt Sammler angesprochen, die nicht nur Einzelwerke erwerben wollten. Im April 2008 wurde die SEINO Stiftung gegründet, welche sich, wie auch die Galerie p13 in Heidelberg, um Seibolds Werke kümmert. In den letzten Jahren wurde es recht ruhig um den Künstler, dessen letzte große Ausstellung 2008 in Ulm stattgefunden hatte. Mittlerweile konnte Norman Seibold ein Atelier im Living Museum Alb beziehen, sodass zu hoffen ist, dass der Maler fortan mehr in seine Außendarstellung einbezogen wird.

Normann Seibolds Werke zeichnen sich durch eine radikale und expressive Bildsprache aus. Die Werke zeugen von einer unglaublichen malerischen Kraft. Der Künstler bearbeitet seine Leinwände mit einer derartigen Intensität, dass einzelne Leinwände durch den dicken Farbauftrag von bis zu 4 cm zu wirklichen Schwergewichten werden. Immer wiederkehrende Themen sind die Geburt, der Tod, Naturkräfte und Sexualität. In vielen Bildern finden sich Doppelmotive wieder. Obwohl Seibold immer wieder Frauen darstellt, geht Prof. Majer im Gespräch bewusst auch auf ein anderes Werk ein: Ein Hirsch, traditionelles Symbol für Männlichkeit und Kraft, der bleich aus dem Hintergrund auftaucht. Im Vordergrund hat Seibold in den charakteristischen dicken Farbauftrag eine Gitterstruktur, eine Art Wildzaun, eingeritzt. Damit wird eine Distanz geschaffen, dem Betrachter bleibt allerdings unklar, ob das Tier oder der Außenstehende eingesperrt ist. Obwohl die Werke inhaltlich zum Teil verstörend wirken, betonte der Künstler stets, dass es ihm vor allem um die Malerei als solche ginge.

Charakteristisch für Seibolds Werke ist auch, dass die meisten weder einen Titel tragen, noch datiert sind. „Ein gutes Werk braucht keinen Titel“, sagte der Maler einst. Dieser speziellen Situation folgend, wurde auch in der aktuellen Ausstellung auf Titel und Entstehungsjahre verzichtet. Die Beiträge aus den letzten gut 30 Jahren werden bewusst nicht chronologisch präsentiert, um den Querblick zu fördern und den Betrachter anzuregen, zwischen den Bildern hin- und herzublicken und Bezüge herzustellen. Zu sehen ist die Ausstellung im Gebäude CI11 der HfWU in der Sigmaringer Straße 15/2, 72622 Nürtingen noch bis zum 7. Juli (Montag bis Freitag von 8-18 Uhr, sowie Samstag von 9-14 Uhr).